Die Geschichte von der Vorstellung

Das Jahr 2020 hat vermutlich für viele von uns die Grenzen unserer Vorstellung verschoben. Etwas kleines, unsichtbares hat es möglich gemacht. Hätten wir uns vorstellen können, dass wir von jetzt auf gleich unsere Wirtschaft herunterfahren, Schulen schließen, Kultur und das gesellschaftliche Leben quasi einstellen, unseren Verwandten und Freunden nicht mehr nah sein dürfen? Und alles nach dem Motto koste es, was es wolle?

 

Ja, natürlich ist diese Krise auch eine Chance, aber ich denke diese wird derzeit überwiegend noch in der Fülle der negativen Gefühle erstickt, die uns momentan umgeben. Wir sind als Gesellschaft in einer Blase der Lähmung und des Stillstandes und es schmerzt hinzusehen was es mit uns macht, wenn wir schon bald ein Jahr lang nur mehr ein einziges Thema in den Fokus rücken und an einigen Stellen auch erkennen müssen, wie unsinnig und hilflos wir damit umgehen (müssen).

 

Rutger Bregman schreibt in seinem Buch „Utopien für Realisten“ darüber, dass wir im Vergleich zu früheren Zeiten in einem Schlaraffenland leben. Als Menschheit ging es uns insgesamt noch nie so gut. Aber wir sind unglücklich und freudlos in diesem Schlaraffenland geworden. Warum das so ist? Weil wir uns nichts Besseres vorstellen können, schreibt er.

 

Halt, stopp, innehalten ….

 

„Wir können uns nichts Besseres vorstellen“ … dieser Satz erscheint in meinen Augen auf den ersten Blick sehr unschuldig. Bei genauerer Betrachtung ist er aber vermutlich einer der Schlüssel schlechthin, um aus diesem uns freudlos gewordenen Schlaraffenland auszubrechen. Wir sind als Gesellschaft an Grenzen gestoßen, haben sie bestimmt an einigen Stellen auch schon überschritten. Das ist uns vielfach bewusst. Und jetzt ist unsere Phantasie zu Ende? Erschöpft durch „höher, schneller, weiter“, Konsum, Objektdenken und dem Heilsweg der Digitalisierung? Dann haben wir als Gesellschaft wohl das verdient, was wir jetzt bekommen haben. Aber wir haben eine Chance. Jeder selbst kann entscheiden, ob er ein neues Fenster aufmachen möchte. Ein Fenster mit einer neuen Vorstellung … für sich selbst … oder für sein Unternehmen … mit mehr Sinn und mehr Freude. Ziemlich sicher ist es kein einfacher Weg, und vermutlich braucht es Zeit diese neue Vorstellung zu entwickeln und auch zu fühlen. Aber warum soll all das was wir uns bisher nicht vorstellen konnten und sich als negative Realität manifestiert hat, nicht auch umgekehrt möglich sein? Etwas das so schön, sinnbehaftet und freudvoll ist, dass wir es uns bisher nicht haben vorstellen können, zur Realität zu machen?

 

Wir können jetzt so nicht stehenbleiben … zurück in die alte Realität können wir nicht mehr, und ich finde wir sollten es auch nicht mehr wollen. Und das Jetzt ist auch keine schöne Vorstellung um darin zu verharren … könnten wir doch an der um sich greifenden Lähmung, an den zum Teil bewusst erzeugten Ängsten, oder den vielen Manipulationsversuchen, ersticken. Und überhaupt, der Mensch als soziales Wesen dem man es nicht mehr ermöglicht das auch zu leben? Sind wir dann noch Menschen? Wie war das was man uns gesagt hat? „Koste es was es wolle“?

 

Nein, wir werden uns etwas Neues vorstellen müssen. Daran kommen wir nicht vorbei. Aber ich persönlich glaube nicht daran, dass wir warten dürfen, dass irgendjemand kommt und uns diese Vorstellung formuliert. Wer denn? Gehen wir doch mal in Gedanken die Liste möglicher Kandidaten durch! Ziemlich häufig Fehlanzeige, zumindest in meiner Liste.

 

Vielmehr muss jeder selbst „sich etwas besseres vorstellen …“ Und vielleicht werden wir ja am Ende überrascht sein und ganz viele Gemeinsamkeiten darin finden, oder finden wir wieder Gewinnmaximierung, Konsum bis zum Abwinken, Egoismus und mangelnde Achtsamkeit in der Liste ganz oben? Wenn wir wirklich ehrlich sind, wohl nicht. Die wahren Sehnsüchte sind gewiss andere.

 

Also, ran an das leere Blatt Papier … „Meine Vorstellung von …“ Tragen wir diesen Virus hinaus in die Welt. Infizieren wir andere mutig zu sein und ihre neue Vorstellung das Licht der Welt erblicken zu lassen. Es soll unsere Welt sein. Nicht jene von Politikern die ihre eigenen und auch uns auferlegten engen Ketten nicht mehr sprengen können, nicht jene von Menschen die Zukunft mit alten Denkmustern und Modellen erschaffen möchten, nicht jene von unreflektierten Macht- und Geldsammlern, nicht jene von phantasielosen Ordnungsdenkern die an allem festhalten, nur weil es Gewohnheit ist, …

 

Einen Tip noch, was das betrifft was wir uns vorstellen können. Berücksichtigen wir dabei, wenn es nur ein Satz ist, eine Sache … wenn wir es morgen tun, dann verändern wir etwas. Das Stück Papier das in „Schönheit“ in den Tiefen der Schublade versinkt, lässt uns in der Welt zurück, in der wir jetzt sind.

 

Gerhard Filzwieser

 

PS: wenn ich mit diesen Gedanken nur einen einzigen Menschen „berühren“ kann, sich „etwas neues vorzustellen“ … dann machen diese Sinn. Ich würde mich also super über eure Erfolgsgeschichte freuen 😊